Bernard van Dierendonck arbeitet seit einem viertel Jahrhundert als freischaffender Fotograf und Journalist in Zürich. Am Anfang der journalistischen Karriere kommt die Ausbildung zum Bergführer noch hinzu. Zu Beginn fokussiert er sich auf Reportagen über den Bergsport und abenteuerliche Reisen zu den wilden Ecken dieser Welt. Ausgerechnet am Matterhorn, bei einer fotografischen Studie der BergsteigerInnen, entdeckt er die Leidenschaft für die Porträt- und Peoplefotografie, welche seither einen zentralen Platz in seiner Arbeit einnehmen.

Herzlich willkommen!

1. Was war auf deiner ersten, bewusst gestalteten Fotografie zu sehen?

War es 1990 auf einem Klettertrip im kalifornischen Joshua Tree Nationalpark, als mir meine damalige Freundin ihre Spiegelreflexkamera auslieh? Felsen, Kletterin, ein Seil quer durchs Bild.

2. Welches deiner Projekte hat dich bisher am meisten bewegt?

Kürzlich dokumentierte ich für das Schweizerische Rote Kreuz die nicht vorhandenen sanitären Einrichtungen im Norden von Ghana. In einer Schule für 1800 Jugendliche suchten wir vergeblich nach funktionierenden Toiletten. Die 16 jährige Schülerin Margaret nahm uns mit auf ihren eine Stunde langen Heimweg mit dem Velo. Es war sengend heiss. Kaum zuhause ging es für sie gleich weiter zum Wasserholen. Der Brunnen war eine halbe Stunden entfernt, das volle Wassergefäss auf ihrem Kopf wog 25 Kilo. Ihre Ufzgi macht sie um vier in der Früh vor dem nächsten Gang zum Brunnen und dem langen Veloweg zur nächsten Schulstunde.

3.Warum fotografierst du überhaupt und wie bist du dazu gekommen?

Bis 1993 leitete ich für Greenpeace Schweiz die Anti-Atomkampagne. Bei der Planung von Aktionen arbeiteten wir stets eng mit Fotografen zusammen und diskutierten mit ihnen wie eine Aktion fürs Bild wirksam zu inszenieren sei. Nach dieser Anstellung stieg ich bei der gerade gegründeten Schweizer Kletterzeitschrift Ravage als Redaktor ein, kaufte mir eine Fotoausrüstung und bebilderte fortan meine Artikel. Gleichzeitig absolvierte ich ein Praktikum bei der damaligen Fotoagentur Ex-Press. Zum Glück hielten die FotografInnen nicht mit Kritik an meinen Bildern zurück.

4. Bist du in zehn Jahren noch Fotograf? Was wäre die Alternative?

Natürlich 😉 Nichts ist so sicher, wie die Unsicherheit in unserem Beruf… Auf einer Bergtour sollte man immer einen Plan B im Hinterkopf haben. So beobachte ich auch bei der Fotografie und dem Journalismus lieber die Trends und neuen Möglichkeiten, als mich über einen alternativen Beruf den Kopf zu zerbrechen.

5. Wer sind deine Vorbilder?

Vorbilder wechseln, gehen vergessen und plötzlich tauchen sie wieder auf. Bei einer freien Arbeit am Matterhorn inspirierte mich Richard Avedons «In the American West» (auch wenn dieser keinen Blitz benutzte). James Nachtways Fotos, ihr Ausdruck, ihre Wirkung und seine Arbeitsweise faszinierten. Der wilde National Geographic Fotograf Michael Nick Nichols mit seinem authentischen, journalistischen Tier- und Naturfotos, wie er bei seiner Arbeit stets bis ans äusserste ging und viele seiner Storys mit der Lancierung von Naturschutzprojekten zu verknüpfen wusste. Oder Platon, dessen oft mit Schalk erzählten Making-of Geschichten ebenso berühren wie die von ihm fotografierten Porträts. Die grobstkörnigen, monochromen, kontroversen, intimen Fotos meines Landsmannes Anton Corbijn. Aber auch Anny Leibowitz, Evgenia Arbugaeva (aus Sibirien), Olafur Eliasson, Fischli-Weiss…

 6. Wie hat die Fotografie deine Lebensumstände beeinflusst?

Die Berge, die Natur und meine Familie haben den stärksten Einfluss – die Fotografie leistet dabei ihren Beitrag. Sie verschönert, unterhält, ernährt und unterbricht immer mal wieder.

7. Talent ist wichtiger als Technik. Wie siehst du das?

Heisst das jetzt, dass jemand mit viel Talent und einer simplen Kamera bessere Bilder macht als wenn dieselbe Person mit einer technisch hochstehenden Kamera fotografiert? Und was ist mit jenen die technisch talentiert sind oder kreativ die Technik einzusetzen wissen?

8. Erläutere deine Arbeitsweise und beschreibe einen typischen Arbeitstag!

Zum Glück gibt es bei dieser Arbeit den typischen Arbeitstag nicht. Konkreter: Mein Büro habe ich mir daheim eingerichtet, fotografiert wird fast immer On Location. Kameratechnisch stecke ich gerade euphorisch im Wechsel von Spiegel zu spiegellos. Die durch Corona bedingten Unsicherheit bremst diesen Wandel vorerst.

9. Wen würdest du in Zukunft gerne einmal fotografieren?

In zehn Jahren einen richtigen, frostigen, schneereichen Winter.

10. «Die Blende einer Kamera und die Pupille sind nicht dazu da, Informationen hereinzulassen, sondern dazu, welche auszublenden.» Was ist deine Meinung zu diesem Zitat?

Es hilft, wenn das, was Blende und Pupille an Informationen reinlassen, nicht deckungsgleich ist. Wenn die Pupille beim Fotografieren das Drumherum im Auge behält, dann soll die Blende so stark oder so wenig ausblenden, wie es die Story erfordert.

11. Für wen würdest du gerne fotografieren?

Für unseren Planeten Erde.

12. Von wem würdest du dich gerne mal fotografieren lassen?

Von all jenen Menschen, die ich bereits fotografieren durfte und mir nach drei Mal abdrücken ungeduldig sagten: «So, jetzt haben wir das Bild oder!?»