
Schon vor der Ausbildung zum AV-Mediendesigner war die Fotografie seine grosse Leidenschaft. Als ehemaliger Bauleiter liegt ihm die Architekturfotografie sehr am Herzen und durch seine Naturverbundenheit übt die Landschaftsfotografie eine spezielle Faszination auf ihn aus. Herzlich Willkommen: Christian Weidmann!
1. Was war auf deiner ersten, bewusst gestalteten Fotografie zu sehen?
Ein Abfallkübel auf dem Pausenplatz von unserer Schule. Schwarz-Weiss und selber im Labor der Schule entwickelt und vergrössert.
2. Welches deiner Projekte hat dich bisher am meisten bewegt?
Der Besuch eines Inuit Dorfes in Nordwest-Grönland im Winter. Das hautnahe Miterleben des Tagesablaufs der Jäger in den weiten Eislandschaften war eine grosse Erfahrung und ein faszinierendes Erlebnis. Bei Minus 25 Grad oder kälter stundenlang draussen verbringen war für mich wie auch für die Fotoausrüstung eine grosse Herausforderung.
3.Warum fotografierst du überhaupt und wie bist du dazu gekommen?
Mein Erlebtes, die Faszination der Natur und das was mich bewegt und was ich liebe möchte ich mit der Kamera einfangen und aufbereitet anderen zugänglich machen. Das Bild ist erst fertig, wenn ich es in der Hand halten kann oder eine Bildershow projizieren kann. Früher habe ich viele Multivisionen erstellt, heute sind es vor allem Fotobücher. Vor einigen Jahren habe ich angefangen, sporadisch meine Gedanken in Kurztexte und Verse nieder zu schreiben, als Ergänzung zu meinen Bildern. Daraus sind nun schon drei kleine Fotobücher und Kartensets entstanden. Zur Fotografie bin ich gekommen, als ich in Jugendjahren von meinem Vater eine Kodak Messsucher-Kleinbildkamera geerbt habe.


4. Bist du in zehn Jahren noch Fotografin? Was wäre die Alternative?
Ja, und hoffentlich mehr als jetzt. Da ich von der Fotografie nicht leben kann, arbeite ich noch als Layouter und Grafiker im Marketing eines KMU. Das ist schon die Alternative.
5. Wer sind deine Vorbilder?
Harald Mante, Jost J. Marchesi, Reinhart Wolf und Markus Liechti.
6. Wie hat die Fotografie deine Lebensumstände beeinflusst?
30 Nationalparks in 13 Jahren – für mein Langzeitprojekt habe ich über Jahre all meine Ferien eingesetzt und die Freizeit für die Bildauswahl, -bearbeitung und Erstellung der Postkarten und des Fotobuches.

7. Talent ist wichtiger als Technik. Wie siehst du das?
Die Technik ist hilfreich, sehr schätze ich die Bildkontrolle auf dem Display der Kamera, aber das Bild macht immer noch der, der hinter der Kamera ist. Die Gedanken, Visionen, Illusionen und Vorstellungen machen durch das Auge des Fotografen das Bild, noch bevor es abgelichtet wird.
8. Erläutere deine Arbeitsweise und beschreibe einen typischen Arbeitstag!
Alles was bis jetzt typisch war, ist zurzeit in den Hintergrund getreten. So wie es war, wird es in Zukunft nicht mehr sein. Fotografisch habe ich noch keine typische Arbeitsweise, mein Arbeitstag war vor allem am Computer Layouts für Druckerzeugnisse zu erstellen. Zwischendurch mal unterwegs zu sein für einen Fotoauftrag im Bereich Architektur, Produkt- und Industriefotografie war immer etwas Besonderes. In der jetzigen Situation bin ich natürlich dankbar um den Brotjob als Layouter. Was die Zukunft uns bringen wird, ist für uns alle offen, ich bin aber zuversichtlich, dass diese Krise sein Gutes haben wird.
9. Wen würdest du in Zukunft gerne einmal fotografieren?
Eine Herde Moschusochsen in Grönland oder Norwegen.


10. «Die Blende einer Kamera und die Pupille sind nicht dazu da, Informationen hereinzulassen, sondern dazu, welche auszublenden.» Was ist deine Meinung zu diesem Zitat?
Interessanter Gedanke, ich finde aber, dass die Blende, wie auch die Pupillen vor allem dazu da sind, die Menge an Licht und die Tiefenschärfe zu regulieren. Das Ausblenden, Weglassen und die Konzentration auf das Wesentliche, ist Aufgabe des Bildausschnittes.
11. Für wen würdest du gerne fotografieren?
National Geographic.
12. Von wem würdest du dich gerne mal fotografieren lassen?
Weiss nicht, kommt mir gerade niemand in den Sinn. Ich bin viel lieber hinter der Kamera, ich lasse mich nicht gerne fotografieren.

75° N
Unter mir ziehen endlose Schnee- und Eisflächen dahin. Dazwischen sind felsige Berge und Eisberge auszumachen. Ich sitze im Helikopter und befinde mich ungefähr auf dem 75. nördlichen Breitengrad. Über eine Stunde dauert der Flug von Upernavik nach Kullorsuaq. Nach vielen Jahren bin ich wieder einmal nach Grönland aufgebrochen und diesmal gleich im Winter!
Während 10 Tagen darf ich am Leben der Inuit im Dorf Kullorsuaq teilnehmen. Eine Deutsche Freundin von mir lebt schon seit einigen Jahren in Grönland und ist verheiratet mit einem Inuit. Kullorsuaq liegt im Nordwesten von Grönland und ist mit rund 440 Einwohnern das grösste Dorf Grönlands. Der grönländische Name Kullorsuaq bedeutet «Der grosse Daumen», benannt nach dem gleichnamigen, dort zu findenden grossen Felsen, der wie ein Daumen aussieht.
Dank meiner Freundin kann ich das Leben der Inuits hautnah mit erleben. Während dieser Zeit war ich wie in einer anderen Welt, ganz weit weg vom Leben das ich gewohnt war. In Kullorsuaq leben die Inuits noch von der Jagd. Im Winter fahren sie mit Hundeschlitten und Skidoo auf Seehund-Jagd und zum Fischfang. Ich durfte sie begleiten, früh morgens in der Dämmerung ging es los, bei minus 30° – das war für mich und meine Fotoausrüstung eine grosse Herausforderung. Aber dieses Gefühl, wenn du auf dem Meereis stehst, an der Kurbel die lange Leine mit den Fischhaken daran hoch kurbelst und dann über dem Inlandeis die Sonne auf geht, das werde ich nie mehr vergessen! Faszinieren, grandios, atemberaubend – ich weiss gar nicht mit welchen Worten das zu beschreiben ist. Die Inuits sprechen Grönländisch, etwas Dänisch und fast kein Englisch. Aber wir verstanden uns. Manchmal braucht es nicht viele Wort, wenn man einander offen begegnet.
Trotz aller Naturschönheit sind auch die Probleme sichtbar. Der Skidoo verdrängt die Hundeschlitten und macht die Inuits abhängig von Benzin und Ersatzteilen. Die Fische werden nicht mehr vor Ort verarbeitet und der Verkauf von Seehund-Fellen wirft nicht viel ab. Die Jungen haben so keine guten Zukunftsaussichten. Und was die Klimaerwärmung für Konsequenzen hat, war zu dieser Zeit als ich dort war, noch nicht richtig abzuschätzen. Auch an diesem abgelegenen Ort wird sich, genau gleich wie in der übrigen Welt, wohl einiges verändern, grossen Herausforderungen stehen an.
Bevor diese Welt dort oben vielleicht ganz verschwindet oder sich massgebend ändert, möchte ich noch einmal die lange Anreise antreten und die Ruhe und endlosen Weiten erleben.
