Eleni Kougionis (Fotos) – Mario Heller (Text)

Bild: Mario Heller

Die Fotografin Eleni Kougionis gewann vor zwei Jahren den Förderpreis Globetrotter World Photo, der dem Gewinner eine Fotoerportage im Ausland ermöglicht. Im Interview erzählt Eleni, wie es überhaupt dazu kam und welchen Weg sie einschlug, um ihre Fotografie professionell auszuüben.

Mario: Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Eleni: Mein Vater war ein passionierter Hobbyfotograf. Irgendwann schenkte er mir eine Kamera.

Welche Motive hast du dir am Anfang ausgesucht?
Ich war oft an Konzerten und habe Bands fotografiert. Dabei musste ich die Kamera jeweils hineinschmuggeln. Ein beliebtes Sujet waren auch meine Freunde. Ich hatte schon immer einen inneren Drang, Momente, welche ich erlebe festzuhalten und somit zu konservieren. Die Fotografie schien mir dazu ein adäquates Mittel.

War dir also bereits immer klar, dass du Fotografin werden möchtest?
Ich wäre gerne Fotografin geworden, allerdings sah ich keinen Weg, diesen Beruf erlernen zu können. Ich machte eine Ausbildung zur Polygrafin, womit ich mein Auge für Form und Farbe schulen konnte, was ja auch in der Fotografie essentiell ist.

Wann folgte der Schritt in die Professionalität ?
Ich besuchte für anderthalb Jahre einen Abendkurs in Fotografie an der Schule für Gestaltung Basel. Während dieser Zeit schaute ich mich nach Möglichkeiten um, in die Berufsfotografie einzusteigen. Ich absolvierte ein zweimonatiges Praktikum bei einer Zeitung. Leider reichten meine Fähigkeiten in der Pressefotografie noch nicht und ich suchte weiter nach Ausbildungsmöglichkeiten. Ich stiess auf den Studiengang «Redaktionelle Fotografie» am MAZ, der Schweizer Journalistenschule in Luzern und bewarb mich mit meinem Portfolio für einen Studienplatz.

Hattest du dir grosse Chancen ausgerechnet, am MAZ studieren zu können?
Ich war mir nicht sicher, ob meine Bilder qualitativ ausreichen. Nach dem persönlichen Bewerbungsgespräch mit dem Studienleiter und der Schuldirektorin hatte ich das Gefühl, dass es wohl kaum klappen würde.

Doch du wurdest aufgenommen und konntest das Studium beginnen. Was hast du während dieser Zeit gelernt?
Es war ein sehr glücklicher Moment. Mein Studium war eine enorm lehrreiche Zeit. Ich war äusserst bestrebt darin, alle fotografischen Aufgaben mit höchster Sorgfalt und Kreativität umzusetzen. Ich lernte, wie ich meine Hemmschwelle beim Portraitieren von wildfremden Menschen überwinde oder wie ich eigene fotografische Projekte lanciere. Die Ausbildung gab mir alles nötige Wissen, um nun als Fotografin arbeiten und überleben zu können.

Was waren deine Höhepunkte während des Studiums?
Ich machte ein Langzeitprojekt über alternative Lebensräume in der Schweiz. Dafür besuchte ich Menschen in verschiedenen Landesteilen, welche eine unkonventionelle Wohnform gewählt haben. Da war zum Beispiel eine Frau, welche seit Jahren auf einem Schiff auf dem Rhein in Basel lebt, ein Paar, welches in einem ehemaligen Bergwerksilo im Aargau wohnt oder ein kleines Ökodorf im Tessin. Zum Abschluss des Studiums absolvierte ich ein zweimonatiges Praktikum bei einer deutschsprachigen Zeitung in der griechischen Hauptstadt Athen.

Was konntest du aus dem Praktikum schöpfen?
Es war aufregend, ins kalte Wasser zu springen und im Ausland Aufträge zu erledigen. Mein Griechisch war zwar sehr eingerostet, allerdings sprach ich nach kurzer Zeit wieder fliessend. Zudem hatte ich das Glück, dass ich während einer aufregenden Zeit in Athen war: Damals gewann der sozialistisch gesinnte Alexis Tzipras die griechischen Wahlen, was in ganz Europa für Furore sorgte. Ich war mittendrin an dem Abend, als er seine erste Rede vor dem Volk hielt. Die Euphorie der Menschen war unglaublich.

Während deinem Studium hast du auch einen Förderpreis gewonnen. Erzähl mehr darüber.
Genau, ich gewann den Globetrotter World Photo Nachwuchsförderpreis mit meinem Thema «Punk auf Indonesisch». Ein Preis, welcher jährlich zwei jungen Fotografen eine Auslandsreportage ermöglicht mit einem Beitrag von 10’000.- Franken. Dazu gibt es ein Coaching von Manuel Bauer.

Wie bist du auf das Thema gestossen?
Punk war immer eine meiner favorisierten Musikrichtungen. Ein Freund erzählte mir, dass in Indonesien eine der aktivsten Punkszenen weltweit brodelt und dies im Land mit der grössten muslimischen Bevölkerung. Ich wusste sofort, dass dies eine tolle Geschichte geben könnte und der Kontrast faszinierte mich stark.

Hattest du zu diesem Zeitpunkt bereits einen Bezug zu Indonesien?
Nein. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich gewinne und erschrak ziemlich. Es kamen Zweifel auf, ob ich überhaupt bereit dazu war, eine solche Reportage alleine zu machen. Einige Freunde konnten mir Leute der indonesischen Punkszene vermitteln, mit denen ich auf Facebook erste Nachrichtenwechsel hatte.

Wie hat sich dieser Kontakt aufgebaut? Waren die Leute skeptisch?
Nein, sie hatten sich bereits daran gewöhnt, dass sie von Punks aus aller Welt kontaktiert wurden. Es gibt viele Bands, welche gerne einmal in Indonesien auftreten würden. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass ich eine Reportage über die Punkszene in ihrem Land machen würde. Viele meinten daraufhin, dass ich einfach kommen soll, es würde sich dann alles ergeben. Die Indonesier schienen mir sehr unkompliziert zu sein.

Wie hast du dich auf die Reise vorbereitet?
Genügende Speicherkarten, Back-Up Möglichkeiten, Impfungen und vor allem möglichst viele Informationen über das Land in Erfahrung bringen: Von Reiseführer bis Dokumentation im Internet. Manuel Bauer konnte mir viele nützliche Tipps für das Fotografieren im Ausland geben. Er gab mir eine ungefähre Idee davon, wie man eine solche Reise gestalten könnte. Aber schlussendlich kommt es dann doch wieder anders.

Welche Gedanken gingen dir durch den Kopf, als du in Zürich ins Flugzeug gestiegen bist?
Ich freute mich in erster Linie und hatte das Gefühl, dass ich mich gut auf die sechswöchige Reise vorbereitet hatte. Natürlich gab es aber auch einen gewissen Leistungsdruck. Globetrotter förderte mich und erwartete eine schlüssige Fotoreportage von mir auf hohem Niveau.

Wie waren die ersten Tage deiner Reise?
In den ersten Tagen ging mir immer wieder ein Gedanke durch den Kopf: Was zur Hölle mache ich hier und wer bin ich mir anzumuten, am anderen Ende der Welt alleine etwas Gescheites auf die Reihe zu kriegen? Ich hatte keinen konkreten Plan, wie es nach der Ankunft genau weitergehen sollte. Aus dem ersten Kontakt erschloss sich keine vernünftige Zusammenarbeit und ich entschloss mich, auf eigene Faust aufzubrechen. Im Internet fand ich ein grosses Punk-Festival auf einem Feld am Stadtrand von Jakarta. Dort spielten viele einheimische Bands. Die Leute gewährten mir grosse Freiheiten, ich konnte sofort auf die Bühne, niemand störte sich daran, dass ich fotografierte. Die Leute waren stolz darauf. Viele wollten Selfies mit mir schiessen, ich stach als einzige weisse Frau vollkommen aus der Masse heraus. Das war Fluch und Segen zugleich: Teilweise war es schwierig, natürliche Momente einzufangen, da die Leute ständig in die Kamera blickten oder sogar posierten.

Ab welchem Zeitpunkt gelangen dir die ersten guten Bilder?
Je mehr Zeit ich mit den Menschen verbringen konnte, desto besser wurden die Bilder. Ich wurde ständig von Leuten eingeladen und konnte die restlichen Wochen in verschiedenen Behausungen am Boden übernachten, zum Beispiel in Kollektiven, im Tattoo Studio, bei einer kleinen Familie oder in einem T-Shirt Laden. So war ich eigentlich die ganze Zeit mittendrin. Diese Vernetzung verdankte ich Dado. Ich lernte ihn ziemlich am Anfang bei einem Konzert kennen. Er begleitete mich während der ganzen restlichen Reise und zeigte mir die Welt des indonesischen Punks in seiner Vielfalt. Dank ihm hatte ich in den verschiedenen Städten eine so grosse Anzahl an Kontakten und Übernachtungsmöglichkeiten. Wir tauschen uns immer noch regelmässig aus. Nach meiner Rückkehr schickte ich ihm ein Paket mit den Fotos der Reportage, einigen Shirts und Kassetten von Schweizer Punkbands.

Wie sah ein durchschnittlicher Tag aus?
Aufstehen, gemeinsam Essen, Reden, Motorrad fahren, viel zu viele Zigaretten rauchen, Konzerte besuchen, Siebdrucken, auf der Strasse rumhängen, rumsitzen und warten, musizieren und natürlich fotografieren.

Was hat dich auf deiner Reise am Meisten beeindruckt?
Die unendliche Gastfreundschaft.

Warst du froh, als die Reise sich dem Ende zuneigte?
Nein, ich war traurig darüber, dass ich gehen musste. Die Reise war ein riesiges Abenteuer. Ich lernte unglaublich viele Leute kennen, mit denen ich mich wohl fühlte. Ich liebte auch das gute vegetarische Essen und das Mitfahren auf dem Motorrad oder Rückendeck von Lastwagen.

Wie ging es weiter, als du wieder zurück in der Schweiz warst?
Es kam eine längere Phase, in der ich Bilder ordnete und druckte. Danach traf ich mich mit Manuel Bauer und wir stellten eine Auswahl zusammen. Wir schickten sie an «Das Magazin», welches ein Exklusivrecht an den Bildern hatte. Dies war Teil der Abmachungen innerhalb des Förderpreises.

Wo konntest du deine Bilder sonst noch verbreiten?
Letztes Jahr konnte ich die Arbeit am Fernweh Festival in Bern einem riesigen Publikum präsentieren. Ich erhielt eine grosse Resonanz. Nun warte ich noch immer auf die Publikation im «Das Magazin». Ich werde sicher auch nochmals nach Indonesien fliegen, alleine um die ganzen Menschen wieder zu treffen, die ich kennen lernte. Das Fotografieren darf natürlich auch nicht zu kurz kommen.

Gibt es irgendeinen Schritt oder eine Entscheidung, die du im Nachhinein bereust?
Fotografisch gesehen, hat mir manchmal etwas die Distanz zu meinen Motiven gefehlt. Ich hätte mehr Übersichtsbilder machen sollen. Und ich habe zu viel Ballast eingepackt, wie zum Beispiel ein schweres Stativ, welches ich die ganzen sechs Wochen nie benutzt hatte.

Was hat dir der Preis schlussendlich gebracht für deine Karriere?
Ich konnte meine fotografische und soziale Kompetenz auf jeden Fall erweitern und bin selbstsicherer geworden. Vor ein paar Monaten war ich in Indien und habe dort eine Reportage umgesetzt, vor einigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen.