
Blättern wir durch ein Festivalprogramm oder durchforsten wir das Internet nach neuen Filmveröffentlichungen, entscheiden wir oft aufgrund von Bilder aus dem Film darüber, ob wir uns den Film anschauen oder nicht. Für uns ist klar: Die Filmbilder entstpechen den «echten» Szenen. Oft ist dem nicht so, es sind Bilder, welcher der Standfotograf auf dem Set als Werbemittel für den Film aufnimmt. Severin Nowacki fotografiert regelmässig für das Schweizer Fernsehen und andere Produktionsfirmen an Filmsets. Er erzählt von seiner Arbeit während den Dreharbeiten am Film «Usgrächnet Gähwilers», welcher am Samstag, 21. Januar Weltpremiere an den Solothurner Filmtagen feiert.


Der Stand- oder Setfotograf übernimmt drei wichtige Aufgaben am Filmset. Erstens fotografiert er die Standbilder, welche wir alle aus Zeitschriften oder Programmheften kennen. Sie sind identisch mit den Filmaufnahmen und dienen der Vermarktung des Films. Der Fotograf übernimmt entweder nach dem Dreh einer Szene die Position des Kameramanns und fotografiert während einem zusätzlichen Durchlauf die Szenen im identischen Bildausschnitt oder er fotografiert während dem Dreh mit einer lautlosen Kamera aus der Position unmittelbar neben des Kameramanns. Er übernimmt exakt das vom Kameramann und der Beleuchtungscrew vorgegebene Filmstill. «Dieses Vorgehen ist durch moderne Filmkameras, welche eine hohe Auflösung besitzen, theoretisch überflüssig geworden.»


Zweitens dokumentiert der Standfotgraf das Geschehen auf und neben dem Filmset, erzeugt die so genannten Making-Of Fotos: «Bei diesen Bildern bin ich kreativ gefordert, kann mich austoben und arbeite wie an einer Reportage.» Da insbesondere die Presse Bilder wünscht, auf denen die Atmosphäre während der Produktion spürbar ist, sind diese Bilder als Werbemittel für den Film sehr wichtig. Als dritte Aufgabe erstellt der Setfotograf während den Dreharbeiten Bilder der Schauspieler in ihren Kostüm inszeniert auf einem Set oder neutral im Studio. So entstehen die Aufnahmen für das Filmplakat, welches am Anfang des Beitrages zu sehen ist. Bei Komödien entsteht das Plakatsujet häufig aus Einzelaufnahmen der Schauspieler, welche nach den Dreharbeiten vom Grafiker zu einer eigenständigen Komposition zusammengefügt werden.


Severin Nowacki hatte schon viele Einsätze als Standfotograf. Das Schweizer Fernsehen produziert jährlich mehrere Spielfilme und Serien, dazu gehört auch der Tatort. Für das Fernsehen ist er nur an zirka 6 von 23 Spielfilm-Drehtagen extra für die Standfotos auf dem Set. Bei «Usgrächnet Gähwilers» durfte er die Dreharbeiten von der ersten bis zur letzten Klappe begleiten. Der Drehplan ist stark wetterabhängig. Es gibt zwar einen akribisch geplanten Ablauf, allerdings ändert sich das Programm je nach Ereigniss bereits ab dem ersten Drehtag. Der exakte Arbeitsplan des folgenden Tages, an welchen sich die ganze Crew anpassen muss, ist jeweils erst nach Drehschluss bekannt. Die Einsätze der Standfotografen werden auch in der Tagesdisposition eingetragen, so dass die Crew weiss, bei welcher Szene das Set eventuell für ein Standfotos erneut eingerichtet werden muss. «Wenn ich für diesen Job zusage, muss ich während fünf Wochen komplett flexibel verfügbar sein.» Meistens wird an Wochenenden gearbeitet, da Bürogebäude oder Arbeitplätze an diesen Tagen frei sind, Dienstag und Mittwoch gelten als Ruhetage. An den Arbeitstagen ist die Crew stets zusammen unterwegs. Oft ist man am selben Ort stationiert und beginnt den Tag mit den Proben der Schauspielern und dem Einleuchten der nächsten Szene.


Die moderne Technik erleichtert dem Fotografen die Arbeit beim Dreh. Heute haben viele Kameras einen elektronischen Auslöser. Dieser garantiert eine lautlose Aufzeichnung der Bilddaten und ermöglicht das Fotografieren während dem Filmdreh. Das macht die Standfotografie viel autentischer und für den Fotogafen auch attraktiver. Severin erklärt: «Früher wurden Szenen nach dem eigentlichen Dreh extra für den Fotografen noch einmal durchgespielt. Das war für die Crew aufwändig. Es gab modifizierte Gehäuse, welche einer Unterwasserkamera ähnelten und bei denen durch die gute Isolation das Auslösegeräusch nicht mehr hörbar war. Deise Ungetüme waren teuer und mühsam zu bedienen.»
Trotzdem gibt es weiterhin viele Fettnäpfchen, in die man als Fotograf reintreten kann: So ist es zum Beispiel verboten, in der Blicklinie eines Schauspielers zu stehen, wenn dieser eigentlich in die Leere schaut. «Die Mimik des Schauspielers verändert sich sofort. Als ich das erste Mal bei Dreharbeiten dabei war, passierte mir das versehentlich. Ich musste mir einiges anhören von der Crew.», erzählt Severin mit einem Schmunzeln und erklärt weiter: «Grundsätzlich ist es so, dass man dich weder hören noch sehen darf. Du bist unwichtig und stehst komplett im Dienst des Filmes als eine Art Werkzeug.»
Auf die Frage, ob denn sonst immer alles fehlerfrei abläuft, winkt Severin ab: «Jedem im Team passiert mindestens einmal in seiner Karriere ein grober Schnitzer, welcher im Nachhinein gerne genüsslich erzählt wird.»


Die Zusammenarbeit auf dem Set erlebt Severin jedes Mal als intensiv und hochspannend. Am schönsten findet er es, wenn er direkt vom Regisseur für den Job des Setfotografen angefragt wird, wie es in «Usgrächnet Gähwiler» der Fall war. «Martin Guggisberg ist ein Freund von mir. Es ist wunderbar an einem Dreh wie diesem zu fotografieren, da ich stets das Gefühl hatte, ein fester Teil der Crew zu sein. Ich fotografierte von der ersten bis zur letzten Klappe. Der Kamera-Assistent gab mir nach kurzer Zeit die für mich wichtigen Kameraeinstellungen wie Brennweite, Blende, Zeit und Kelvin automatisch weiter. So entsteht ein eingespieltes Team.»


«Das Gefühl ein Teil der eingespielten Crew zu sein bringt mich näher an die Menschen und fördert meine Kreativität.» Diese Selbstverständlichkeit, mit der eine Crew agiert, ist essentiell. Jeder im Team hat einen völlig unterschiedlichen Aufgabenbereich, welcher perfekt zu beherrschen ist, damit die Dreharbeiten gut laufen. «Wenn zum Beispiel der Fahrer den Autoschlüssel verliert, die Garderobe dem Schauspieler etwas falsches anzieht oder das Essen nicht schmeckt, wirkt sich das auf die Stimmung am Set aus.» Am meisten gefreut hat sich Severin über die vielen positiven Feedbacks zu seinen Making-Of Bildern nach der Diashow an der Abschlussparty. «Ich realisierte, dass meine Making-Of-Bilder die Crew tief berührten. Viele sahen die Bilder als Wertschäftzung für ihren Einsatz am Set an.» Die Leute arbeiten meist sehr fokussiert, so fehlt ihnen während den Dreharbeiten der Überblick. «Wenn sich am Schluss des Drehs die Hauptdarstellerin bei mir für meine Arbeit bedankt, ist das für mich der grösste Lohn».





