Foto: Pedro Rodrigues

Kaum hat Jonathan Liechti seine Ausbildung zum Fotodesigner abgeschlossen, kriegt er erste Anerkennungen für seine sorgfältigen und engagierten Arbeiten:

2. Platz beim Swiss Press Photo Award, Kategorie Portraits und Finalist vfg Nachwuchsförderpreis.

Sein Hauptinteresse gilt der Dokumentar- und Porträtfotografie mit einem Fokus auf soziale Themen.

Wir freuen uns über seinen Beitritt zum vfg.

1. Was war auf deiner ersten, bewusst gestalteten Fotografie zu sehen?

Meine Mitmenschen meist im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen. Ich kann nicht genau definieren, welches Foto den Übergang vom Knipsen zum Fotografieren darstellt. Das war bei mir ein Prozess, der mich immer mehr in die Fotografie hineinzog und immer noch zieht.

2. Welches deiner Projekte hat dich bisher am meisten bewegt?

Die Arbeit über ein nigerianisches Flüchtlingsdorf: Dort die Menschen kennenzulernen, welchen grosses Leid widerfahren ist, aber dennoch eine enorme Kraft und Zuversicht ausstrahlen, war beeindruckend. Dies war zudem meine erste Arbeit in einem für mich fremden Land.

3.Warum fotografierst du überhaupt und wie bist du dazu gekommen?

Ich habe es stets bevorzugt zu beobachten. Zudem fand ich Kameras unheimlich cool und faszinierend. Mittlerweile habe ich durch die Fotografie viel über mich und die Welt gelernt und erfahren. Sie hilft mir an Orte zu gelangen, wo ich sonst nicht hinkäme.

Salomi Luka.
Esra Ibrahim.
Bitrus Usman.
Zuwaria Ismael.

4. Bist du in zehn Jahren noch Fotograf? Was wäre die Alternative?

Ich hoffe es. Alternativen habe ich keine.

5. Wer sind deine Vorbilder?

Diese Liste ist lang und es wäre nicht repräsentativ hier nur einige Namen zu nennen. Eine besondere Erwähnung verdient der Fotograf und Dozent Peter Dammann. Sein Einsatz und Engagement für sozial benachteiligte Menschen war vorbildlich.

6. Wie hat die Fotografie deine Lebensumstände beeinflusst?

Dreiviertel meines WG-Zimmers ist der Fotografie zuzuordnen.

Vor dem Teeladen an der Hauptstrasse treffen sich die Männer zum Frühstück. Es gibt Schwarztee, Weissbrot und frittierte Maiskuchen.

7. Talent ist wichtiger als Technik. Wie siehst du das?

Passendes Werkzeug ist nicht ganz unwichtig. Entscheidend ist und bleibt aber die Freude und Hingabe an der Sache. Dies macht schlussendlich auch den Unterschied.

8. Erläutere deine Arbeitsweise und beschreibe einen typischen Arbeitstag!

Am Morgen gibt es zuerst einen Schwarztee, die News und eine ToDo-Liste. Danach verläuft jeder Tag unterschiedlich.

9. Wen würdest du in Zukunft gerne einmal fotografieren?

Ich interessiere mich für ein sehr breites Spektrum an Menschen und Geschichten. So breit ist auch die Ideenliste aufgestellt. Einen Favoriten habe ich zur Zeit keinen.

Alphabetisierungskurs für Frauen.

10. «Die Blende einer Kamera und die Pupille sind nicht dazu da, Informationen hereinzulassen, sondern dazu, welche auszublenden.» Was ist deine Meinung zu diesem Zitat?

Die Herausforderung in der Fotografie liegt in der Reduktion. Als Fotograf muss man sich genau bewusst sein, worauf man den Fokus legen möchte und welchen Standpunkt man selber dabei einnimmt. Dies ist aber auch das Spannende und die Stärke der Fotografie: Sie birgt so das Potential für viele individuelle Entfaltungsmöglichkeiten.

11. Für wen würdest du gerne fotografieren?

Für Organisationen und Institutionen welche sich dafür einsetzen, dass diese Welt zu ein besseren Ort wird.

12. Von wem würdest du dich gerne mal fotografieren lassen?

Phu – keine Ahnung…

Muslime beim Abendgebet in Gurku. Von der Moschee stehen erst die Grundmauern.

«By God’s Grace»
Ein nigerianisches Flüchtlingsdorf im Porträt
Tiefe Furchen prägen die sandige Landstrasse, die nach Gurku führt. Auf ihr sind schon
viele Menschen in ein neues Zuhause gelangt; auf Motorrädern, die geschickt um die
Gräben herumschlängeln, zu Fuss am Strassenrand entlang, dort, wo bereits die
Erdnussfelder beginnen, auf den Rückbänken von Autos, aneinandergedrängt, Hand in
Hand, die Augen voller Erwartungen.
Tiefe Furchen prägen die Gesichter der Menschen. Ein Leben von Haus- und
Feldarbeit, von Freude und von Erleichterung, von grosser Sorge und Trauer hat sie
gegraben. Die Schergen von Boko Haram machen aus Menschen Flüchtlinge im
eigenen Land, gezwungen, aus dem Nichts eine neue Existenz aufzubauen. So werden
Muslime und Christinnen wieder zu Nachbarn, beide Opfer der gleichen Gewalt, beide
ohne Heimat. Werden sie jemals nach Hause zurückkehren können? Es wird noch viele
Monate, wenn nicht Jahre dauern, ehe diese Frage mit Gewissheit beantwortet
werden kann. Und so ziehen die Menschen Gurkus entgegen der Perspektivlosigkeit,
entgegen der Hoffnungslosigkeit Furchen in die Erde, säen Getreide an und bitten
Gott um Regen. So Gott ihnen gnädig ist, werden sie davon leben können.
Text: Noemi Harnickell