Porträt einer Insel
Im Januar 2016 reiste ich mit meiner Familie, das heisst mit meinem Mann Michael und meinem damals sechsjährigen Sohn Jeremy, nach Sri Lanka. Sri Lanka war kein lang gehegter Reisewunsch. Wir wurden von Michel, einem ehemaligen Schulfreund von Michael, nach Colombo eingeladen. Michel und seine Frau Anusha boten uns Platz in ihrem Zuhause. Auf dem Gelände lebten auch ca. 30 Katzen und 15 Hunden, die Anusha von der Strasse gerettet hatte.
Schon im Vorfeld der Reise machte ich mir über eine mögliche Geschichte, die ich fotografieren könnte, Gedanken. Aber ich wusste nicht genau, was mich erwarten würde. Anfragen bei Magazinen und Zeitungen in der Schweiz blieben ebenso erfolglos. Und so reiste ich aus fotografischer Sicht etwas planlos auf die Insel.
Aber dann lernte ich Parames kennen. Parames, die Köchin von Michel und Anusha, die uns fast jeden Tag dreimal mit köstlichen Sri Lanka-Gerichten verwöhnte. Sie könnte die Protago- nistin meiner Reportage sein. Zunächst folgte ich Parames in der Küche als stille Beobachterin. Sie brachte mir das erste tamilische Wort bei: Nandri – Danke.

Die Reise nahm ihren Lauf
Nach einer unruhigen Nacht mit Fledermäusen im Zimmer stand die erste Reiseetappe an. Mit dem Zug reisten wir nach Kandy. Diese Stadt liegt auf 500 müM und ist aufgrund des angenehmen Klimas auch bei Einheimischen sehr beliebt. Im wunderschönen Temple of the Tooth begegnete ich dem Mann, der nun das Titelbild meines Buches ziert. Schnell fiel er mir auf in seinem schlichten weissen Hemd, am Boden sitzend. Er tippte auf seinem in die Tage gekommenen Handy herum. Ich ging auf ihn zu, um ihn um ein Foto zu bitten. Mit einer ganz natürlichen Selbstverständlichkeit nickte er, schweifte mit seinem Blick aber sogleich wieder in die Ferne, so, als wüsste er schon, welche Pose die Fotografierende sich wünschte. Seine natürliche Haltung hatte etwas Besonnenes, ja Edles an sich, finde ich noch heute. Ich drückte den Auslöser drei Mal, bedankte mich und ging weiter. Heute ärgere ich mich, dass ich das Gespräch mit ihm nicht gesucht habe. Und so weiss ich leider rein gar nichts über ihn.

Einsatz für eine NGO
Die Reise ging weiter nach Trincomalee, kurz auch Trinco genannt, mit einem Zwischenstopp in Polonnaruwa mit seinen Temple-Ruinen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Dank einer Zusammenarbeit mit Yves Bowie von der gemeinnützigen Organisation “Gesellschaft für bedrohte Völker” (www.gfbv.ch) – ich dokumentierte für ihn vor Ort einen Workshop – erhielten wir in Trinco Einblick in das Leben einer von Landraub betroffenen Fischerfamilie. Zunächst standen mir die Fischer allesamt etwas skeptisch gegenüber. Sie liessen sich nicht so schnell vor die Kamera locken. Also wartete ich. Später bettelte ich wieder. Schliesslich willigte einer ein. Und plötzlich standen die Männer alle Schlange und ich konnte von allen ein Porträt aufnehmen.

Wiedersehen mit Parames
Schliesslich traten wir unsere neunstündige Rückreise im Zug nach Colombo an. Ich freute mich, Parames wieder zu sehen, um ihr in der Küche mit der Kamera zu folgen. Parames‘ ruhiges und bescheidenes Wesen gefiel mir und sie liess es weiterhin zu, dass ich sie fotografierte. Schliesslich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und ich fragte sie, ob ich sie auch zu Hause besuchen dürfe, um sie dort beim Kochen mit der Kamera zu begleiten. Sie sagte ja.

Glück im Unglück
Unser letztes Reiseziel war Unawatuna in der Region Galle am südlichen Zipfel der Insel. Wir reisten wieder mit dem Zug: 2 1/2 Stunden stehend, Jeremy auf dem Koffer schlafend. Dort angekommen begegnete ich am Bahnhof einem jungen Mann, dem Bahnhofvorsteher. Dies ge- schah jedoch nicht freiwillig. Ich hatte beim hektischen Aussteigen eine Tasche im Zug liegen gelassen – mit meinem Handy und meiner Kreditkarte.
Sofort rannte ich zum Bahnhofvorsteher und schilderte ihm meine missliche Lage. Dieser griff sofort zum Handy, um Kontakt zum Zug herzustellen. Ich staunte nicht schlecht! Der junge Mann versicherte mir, in 30 Minuten, bei der Rückfahrt des Zuges nach Colombo, sollte ich meine Tasche wieder haben. Ein Mann, ein Wort. Diese unkomplizierte Hilfsbereitschaft beeindruckte mich sehr.

Zu Besuch bei Parames
Wieder in Colombo empfing mich Parames mit einem Lächeln. Inzwischen waren wir vertrauter. Bald würde ich sie nach der Arbeit nach Hause begleiten. Ihr Haus befand sich näher am Zentrum der Stadt als das Haus von Michel und Anusha. Ich bezahlte ein Tuctuc. Denn Parames nimmt immer den Bus, der viel billiger, aber etwa dreimal so lang unterwegs ist als die kleinen, motorisierten Dreiräder. Mir war nun plötzlich doch etwas unwohl bei der Sache. Was genau würde mich erwarten? War es nicht zuviel des Guten, Parames in ihr Zuhause zu begleiten?
In Parames Nachbarschaft leben Muslime, Buddhisten, Hindus. Einige kamen neugierig auf die Gasse. Und sie freuten sich, fotografiert zu werden. Parames zeigte mir ihr bescheidenes Heim. Aber ich meinte, dabei etwas Unbehagen bei Parames wahrzunehmen. Und plötzlich war mir klar: Hier wollte ich mich mit dem Fotografieren zurückhalten. Es hätte mehr Zeit gebraucht, um eine entspannte Stimmung herzustellen.
Parames lebt auf wenig Raum mit ihrem Mann, ihren drei Kindern, ihren zwei Enkelkindern sowie der pflegebedürftigen Mutter.
Die Ferien neigten sich dem Ende zu. Der Abschied von der Insel fiel uns schwer. Und ich meinte, auch bei Parames eine Träne in den Augen aufblitzen zu sehen.

Wie der Bildband entstand
Wieder zu Hause begann ich bald, die Fotos zu sichten. Ich war mit dem Ergebnis sehr zufrieden und erstellte bei Bookfactory ein Fotobuch, das ich vielen Freunden zeigte. Einige ermutigten mich, mit den Bildern einen professionell gedruckten Bildband zu realisieren.
Die Idee schmeichelte mir und ich fing Feuer. Mein erstes Buch! Ich fragte einige Verlage an, erhielt aber nur Absagen oder gar keinen Bescheid. Und so holte ich bei einer Druckerei in Fruti- gen eine Offerte ein. Das Buch sollte bei einer Auflage von 300 Exemplaren so viel wie ein Kleinwagen kosten. Das ist viel, sehr viel Geld, dachte ich.
So oder so hatte ich vor, für mein Projekt mittels Crowdfunding finanzielle Unterstützung zu finden und publizierte es auf wemakeit. Gleichzeitig, ich hatte keine andere Wahl, holte ich eine Offerte bei einer Druckerei im nahen Ausland ein. Deren Offerte war um zwei Drittel günstiger als die erste. Der Fall war somit klar, dass ich für den Druck nach Deutschland ausweichen würde.

Viele Helfer im Bekanntenkreis
Michael, gelernter Grafiker, nahm das Layout in Angriff, eine Bekannte half mir beim Ausformu- lieren meiner Gedanken zu einem stimmigen Text und mein Schwager übernahm die Übersetzung ins Englische.
Die Druckerei unterbreitete Druckmuster und so entstand Schritt für Schritt das äussere Erscheinungsbild des Buches: Kartonumschlag, Gewebeeinband, Fadenbindung, Umschlag gedruckt auf Transparentpapier, mattes Papier für die Innenseiten.
Im März 2017 lag das Ergebnis fertig vor und wer sich persönlich ein Bild davon machen möchte, ist herzlich eingeladen, bei mir im Atelier vorbeizuschauen oder es in der Buchhandlung zum Zytglogge, Bern, oder bei Sinwel, Bern, in Augenschein zu nehmen. Der Verkaufspreis liegt bei 68 Franken inkl. MwSt.