Männer 60/70

Remo Zehnder (Fotos) – Urban Zehnder (Texte)

Während rund vier Jahren hat Remo Zehnder gemeinsam mit seinem vor kurzem verstorbenen Vater Urban am Buchprojekt «Männer 60/70» gearbeitet. Remo hat von allen Männern sowohl ein Portrait aufgenommen wie auch die Protagonisten in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld festgehalten.

Achtzehn Deutschschweizer Männer im siebten Jahrzehnt mit unterschiedlichen privaten, sozialen und beruflichen Hintergründen reden über sich: wie sie zu dem wurden, was sie heute sind. Wie sie sich jetzt erleben. Wie sie die letzten Jahre ihres Berufslebens, ihr Älterwerden und die Veränderung im Körper, im beruflichen und im privaten Alltag erfahren. Wie sie sich ihre alten Jahre wünschen und wie sie sich vielleicht darauf vorbereiten.

Remo Zehnder, *1975
Berufsfotograf vfg mit den Schwerpunkten Architektur, Industrie,
Gesundheitswesen, lebt in Bern und betreibt in Biel/Bienne seit 2004 ein Fotostudio.

Urban Zehnder, 1945-2016
Lehrer, Journalist, Sozialpädagoge und Ausbildner. Geboren in Zug, lebte in Solothurn, verheiratet, hat drei erwachsene Kinder – sein Jüngster ist Remo – und drei Enkel. Pensionierung 2010.

umschlag_buch_maenner-6070

Männer 60/70
260 Seiten, 23×28 cm,
ISBN 978-3-906112-51-0
Preis: 48 Franken
www.10-der.ch/6070

Leseprobe:
https://issuu.com/10-der/docs/inhalt_maenner60-70_2-51

Portraitauszüge

Portrait Hanspeter Fuchs

 «Ich werde einmal als Original sterben und nicht als Kopie.»

Hanspeter Fuchs, *1954

Schlosser-Sanitär, Antikrestaurateur und -händler, Einsiedeln

Hanspeter Fuchs sitzt mir an einem alten Tisch gegenüber, der in einem riesigen Saal voll alter Dinge steht. Nur wenig Fensterfläche bringt etwas Licht in den nüchternen modernen Geschäftsbau aus Beton. Die alten Möbel, Ausstattungsstücke, Bilder, Bücher, Haushaltsgeräte und Maschinen sind gut geordnet ausgebreitet und verlocken zur ausgiebigen Besichtigung. Viele dieser Sachen gab es in meiner Jugendzeit noch genauso, wie sie hier aussehen. Erinnerungen werden wach. Aber wir sind ja nicht zum Museumsbesuch hier. Fuchs beginnt ohne Umstände von sich zu erzählen. Er weiß genau, was ihm wichtig ist, kann anschaulich und ohne Umschweife erzählen, die Gedanken sind so gut geordnet und überschaubar wie seine tausende von alten Gegenständen.
Schon bei einem früheren Treffen sagte er mir spontan und unaufgefordert, wie er einmal sterben möchte: als Original, nicht als Kopie. Selbst die im Gespräch so leichthin benutzten groben Ausdrücke will er aus dieser seiner Ehrlichkeit heraus nicht beschönigen. Trotz schwieriger Kindheit hat er viel erreicht und sich mit seiner Frau Rosmarie zusammen ein gutgehendes Geschäft und ein schönes umweltgerechtes Zuhause für seine Familie geschaffen. Bei aller Sorgfalt, Interviewpartner aus verschiedenen Gegenden und mit verschiedenem Herkommen und Berufen zu finden, wollte es der Zufall, dass sich der Einsiedler sogar als Schulkollege eines in diesem Buch ebenfalls porträtierten Mannes war, der in der Nordwestschweiz lebt (Seite 32). Vielleicht ist gerade diese Nähe auch sehr interessant: zwei unterschiedliche Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen am selben Ort – 50 Jahre später!

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Interview: 6. Oktober 2015
Alter beim Interview: 61 Jahre, 3 Monate
Pensionierung: nicht vorgesehen

Portrait Hug Bruno

«Ich möchte wieder einmal wie ein Kind erleben, was Langeweile ist.»

Bruno Hug, *1950

Jurist, Leiter Jugendanwaltschaft, Zuchwil

Sein ursprüngliches Ziel, mit 60 aufzuhören, hat Bruno Hug nicht erreicht. Aber nun hat er vor drei Monaten mit 62 seine Berufsarbeit beendet. Er war länger als geplant geblieben, weil er an seinem Platz als Jugendanwalt noch die Auswirkungen der neuen Strafprozessordnung mitgestalten wollte und weil er noch einige Zeit ein neu zusammengesetztes tolles Team erleben und begleiten wollte. Dieses letzte Arbeitsjahr war sein schönstes.
Vorläufig hat er keine Pläne für den nächsten Lebensabschnitt. Zu sehr musste er jahrelang ständig nach der Agenda leben. Jetzt will er sich Zeit lassen für die Gegenwart und hat noch keine Pläne und Visionen.
Doch, eine Vision hat er: er freut sich auf das kommende Großkind.

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Interview: Juni 2012, kurz nach der Pensionierung
Alter beim Interview: 62 Jahre, 4 Monate
Pensionierung: mit 62

Portrait Liechti Markus

«Verpasst haben wir nichts,
wir wurden nicht Millionäre und konnten keine Luftschlösser bauen.»

Markus Liechti, *1946

Mechaniker, Betriebsfachmann, Bellach

Die Familie und der Sport sind für Markus Liechti sehr wichtig. Der gelernte Mechaniker war sehr lange in der Fertigungsplanung und später als Leiter der Fertigung in der gleichen Werkzeugfabrik tätig. Er ist seit zwei Jahren pensioniert und gleichwohl immer noch ein wenig in der Firma seines Arbeitgebers engagiert. Als Leiter der Fertigung musste er auch Mitarbeiter in die Pensionierung verabschieden und erlebte manchmal eher traurige Abschiedsfeiern. Der Anstoß zum fortschrittlichen Pensionierungsmodell »60 +« ging denn auch von ihm aus.
Diesem Konzept folgend wurde auch er dann schrittweise pensioniert. Im letzten Arbeitsjahr half er in der Projektleitung zur Qualitätssicherung einer Tochterfirma in Ungarn mit. Jetzt schätzt er es, von Zeit zu Zeit im Betrieb vorbeizuschauen, wo er von den ehemaligen Mitarbeitern gern gesehen und freudig begrüßt wird.
Er und seine Frau sind kerngesund, dennoch haben sie schon vor Jahrzehnten an eine Zukunft mit Einschränkungen gedacht und eine altersgerechte Eigentumswohnung gekauft. Töchter und Großkinder sind immer willkommene Gäste in diesem offenen Haus.

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Interview: Oktober 2013
Alter beim Interview: 67 Jahre, 7 Monate
Pensionierung: nach dem Modell «60 +» schrittweise ab 63